Kriminalpsychologische Traumdeutung

Bei allen psychologischen Behandlungen, seien es Therapien oder auch nur Beratungen, ist die Deutung von mitgebrachten Träumen äusserst hilfreich.

Es ist dann, als würde das Unbewusste durch die Sprache des Traumes gleichsam „mitreden“, den bewussten Gesprächsprozess begleiten und kommentieren oder Stellung nehmen zu Hypothesen, Projekten und Zielen und oft gar weisen sie eine neue Richtung.

Als ich zum ersten Mal im Bereich der „Schicksalspsychologischen Kriminologie“ die testologische Beurteilung und die Therapie für den Gefängnisinsassen „Jonny Merbes“ (selbstgewähltes Pseudonym) übernahm – nachdem durch ihn (sei es durch Unfall oder Tötung) eine Frau zu Tode gekommen war – erfuhr ich die Wichtigkeit der Traumdeutung als weiteres, wichtiges Hilfsmittel bei der Erklärung von Kriminalfällen in sehr anschaulicher Weise.

Die Träume können sehr gut in Beziehung zum Tathergang gesetzt werden, da sie oft auch Aengste oder tiefliegende Motive offenbaren, welche mit zur Tat geführt haben.

So zeigte sich bei „Jonny Merbes“ sowohl in seinen einzigen zwei erinnerten Träumen (die nichts direkt mit der Tat zu tun hatten) als auch im von ihm angegebenen Tatmotiv in kongruenter Weise seine tiefste Angst vor dem Entdecktwerden (hy -), seine Hemmung, um Hilfe zu rufen und dadurch gesehen zu werden. Die Träume verrieten auch seine Tendenz, alles allein schaffen zu müssen, ohne Mithilfe von andern.

Des Weiteren wies auch die Tatsache, dass Jonny sich in seinem ganzen Leben kaum je an Träume erinnern konnte und dass er als verurteilter Mörder niemals von der Tat geträumt (!), keine Albträume oder kleinste Erinnerungsfetzen hatte, welche nach der totalen Amnesie über die Tat je wieder auftauchten, darauf hin, dass er ein grosser Verdränger war, auch schon im Leben vor der Tat.

Das erklärte auch sein die Tat verbergendes Verhalten und seine Fähigkeit, die Tat wirklich in den Bereich des Vergessens zu verdrängen und viele Monate so zu tun, vor sich und andern, als wäre sie nie geschehen. Grosse Verdränger können so die massivsten Ereignisse so ungeschehen machen.

Diese Träume von „Jonny Merbes“ waren so kongruent mit dem Tathergang und dem Verhalten nach der Tat, dass sie die bereits vom Verteidiger (und sogar vom Ankläger) gestellte These, dass man seinen Schilderungen und den wenigen erinnerten Tatablaufteilen Glauben schenken konnte und dass er nicht log, untermauerten.

Träume zur Wahrheitsfindung kriminalpsychologisch zu verwenden und sie vor allem schicksalspsychologisch zu analysieren, könnte eine grosse Hilfe für Gerichtsgutachter sein, da diese Träume durch einen psychologischen Laien als Täter, welcher ja seine Träume selbst überhaupt nicht zu deuten versteht, nur schwer in eine bestimmte Richtung manipulierbar sind.

Träume wären mithin wie ein weiterer unbewusster Test auch in der Kriminologie einzusetzen, als Ergänzung zum Rorschach-Test, zum Szondi-Test, zum Schriftbild, zu Zeichnungen etc.

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