Militärische Daten:
- bei der Aushebung 1893 wurde Henri Guisan der Kavallerie zugeteilt
- Rekrutenschule in Bière bei der Feldartillerie
- 1894 Leutnant
- 1904 Hauptmann
- 1908 Hauptmannim Generalstab
- 1911 Major, Umteilung in die Infanterie
- 1916 Oberstleutnant im Generalstab
- 1919 Kommandant des Infanterieregiments 9
- 1921 Oberstbrigadier
- 1927 Oberstdivisionär
- 1932 Oberstkorpskommandant
Der Vater war Landarzt; die Mutter war lungenkrank und starb, als Henri 10 Monate alt war.
Er besuchte das Progymnasium und war Mitglied des Corps des Cadets.
Vor der Matura ging er für sechs Monate nach Deutschland, um sein Deutsch zu verbessern.
Nach der Matura begann er mehrere Studien, welche er aber wieder abrach, da sie ihm nicht gefielen (Medizin, Naturwissenschaften, Recht). Zum Schluss widmete er sich landwirtschaftlichen Studien, welche er in Lyon abschloss.
1897 heiratete er Mary Doelker und liess sich als Landwirt in Chesalles-sur-Oron nieder.
1902 übernahm er das Landgut seines Schwiegervaters in Pully und machte in der Folge eine steile Militärkarriere.
Während des ersten Weltkrieges war er mehrmals an der Deutschen Ostfront, um Kriegstaktik zu lernen.
Bis 1927 blieb Guisan Milizoffizier.
In den 1930er Jahren war er auch im internationalen olympischen Komitee tätig.
Am 30. August 1939 wurde er von der vereinigten Bundesversammlung zum General der Schweizer Armee gewählt, einem militärischen Rang, den es in der Schweiz in Friedenszeiten nicht gibt.
Weil seine Fähigkeiten unbestritten waren und in der damaligen Regierung nur ein französisch sprechender Bundesrat sass, wurde Guisan auf Anhieb gewählt.
Am 4. Oktober 1939 besetzte das Gros der Schweizer Armee auf seinen Befehl hin die Limmatstellung, um einen Angriff aus dem Norden und eine Umgehung der Maginotlinie Richtung Frankreich durch die Schweiz aufhalten zu können.
Während des Krieges verstand es Guisan immer wieder, den Wehrwillen der Schweizer Soldaten und der Bevölkerung zu stärken.
Am 25. Juli 1940 stellte er am Rütli-Rapport den höheren Militärs seine Réduit-Strategie vor.
In der Folge machte er aus dem Réduit-Gedanken ein nationales Symbol, indem er eine Symbiose zwischen Volk und Truppen schuf und den Kontakt zu Zivilisten und den verschiedenen Mannschaftsdienstgraden pflegte.
Dank seines kontaktfreudigen Naturells war Guisan überall beliebt.
Guisan galt nicht als grosser Stratege, aber er verstand es, auf Ratschläge zu hören, Entscheidungen zu treffen sowie Risiko einzugehen und stand auch gegen Anfechtungen seitens der Politiker oder seiner Untergebenen zum einmal gefassten Entschluss.
1940 ordnete er eine Untersuchung gegen 124 Offiziere an, welche verdächtigt wurden, frontistische oder nationalsozialistische Sympathien zu hegen.
Im Gegensatz zu Ulrich Wille, dem General während des ersten Weltkrieges, war Guisan in der Schweiz unbestritten.
General Guisan wurde am 20. August 1945 als General verabschiedet und übergab der Bundesversammlung seinen 270-seitigen Bericht über die Zeit des Aktivdienstes.
Hier ein Auszug aus einer Abschiedsrede an seine Soldaten:
"Die Dankbarkeit ist kein Gefühl von langer Dauer und wenn die öffentliche Meinung Ihre Verdienste um die Erhaltung der Freiheit des Landes heute noch würdigt, so kann doch diese Anerkennung bald verblassen. Nur in einem bescheidenen Masse werden Sie mit dem Aktivdienst als einem moralischen Kapital rechnen können - so schön und so kostbar Ihre, unsere, Erinnerungen aus dieser Zeit auch sind. Genau genommen zählt dieses Kapital nur für Sie selbst und für Ihre Kameraden".
Am 7, April 1960 starb General Guisan und wurde am 12. 4. 1960 in Pully beigesetzt; 300000 Personen, darunter viele Veteranen des Aktivdienstes, säumten den Weg seines Begräbniszuges.
Zeitzeugen und die traditionellen Historiker (Walter Hofer u.a.) sind sich einig, dass hauptsächlich dank General Guisan und der Réduit-Strategie Hitler von einer Besetzung der Schweiz abgehalten werden konnte.
Unter dem Einfluss der 68-Generation wurden die Wichtigkeit von General Guisan und sein Mythos in Frage gestellt und die Bedeutung des Réduits relativiert (Johann Tanner, Hans Ulrich Jost).
Im Bérgier Bericht waren die militärischen Sachzwänge, das Réduit und der General, kein Forschungsthema - geforscht wurde über die wirtschaftliche Kooperation und die Frage, ob Hitler ohne die Schweizer Wirtschaft überhaupt einen Krieg hätte führen können.
Der Guisan Biographe Markus Somm, schreibt, dass Guisan ab 1942 im Bilde gewesen sein dürfte, was im Osten mit den Juden passierte. Für die Flüchtlingspolitik war aber der Bundesrat verantwortlich, während der General für die Sicherheitslage der Schweiz zuständig war.
Die Sicherheit des Landes stand für General Guisan auch bezüglich der Lösung der Flüchtlingsfragen an erster Stelle. Nach dem Fall von Frankreich musste die Schweiz neben den zivilen Flüchtlingen 50 000 besiegte Franzosen, Polen und Nordafrikaner internieren, verpflegen und militärisch bewachen.
Die jüngsten historischen Arbeiten zeigen einen zwar charismatischen General, der aber weniger einem Mythos entsprach und keinesfalls unfehlbar war. Wie viele seiner Zeitgenossen empfand Guisan Sympathie für Mussolini und sein Regime, in dem er ein Bollwerk gegen den Kommunismus sah.
Als die Deutschen bei ihrer Besetzung von Frankreich in La-Charité-sur-Loire die Akten über französisch-schweizerische Generalstabsbesprechungen entdeckten, schlug Guisan dem Bundesrat erfolglos Besänftigungsmassnahmen gegenüber Deutschland vor. 1943 traf er den SS-General Walter Schellenberg.
Diese kleinen Retuschen am Bild des Generals riefen entrüstete Reaktionen in der Aktivdienst-Generation hervor.
Die Limmatstellung in Zürich
General Guisan, während des Zweiten Weltkriegs Oberbefehlshaber der Schweizer Armee, sah in Zürich ein "Obstacle absolu", ein wichtiges Bollwerk auf der Verteidigungslinie, das es zu halten galt. Der Befehl zur Errichtung der Befestigungen erfolgte am 27. September 1939. Ende Juni 1940 waren 95 Kampfstände errichtet - 24 davon befinden sich heute unter Denkmalschutz. In Depots lagen zudem 3000 sogenannte Spanische Reiter, mobile Barrieren aus Metall und Stacheldraht, zum Einsatz bereit.
Nebst den massiven Befestigungsbauten war das ganze Limmat- und Seeufer mit Stacheldraht und anderen Barrikadenelementen abgeschottet. Zusätzliche Infanteriegefechtsstände mit Minenwerfern wurden eingerichtet. So konnte man beispielsweise von der Beethovenstrasse im Enge-Quartier aus das Gebiet Kunsthaus und Kreuzplatz beschiessen, sollte der Feind dort anrücken.
Dass die Stadt mitten auf der Kampflinie lag, veranlasste den damaligen Stadtpräsidenten Emil Klöti dazu, bei der Armeeführung zu intervenieren. Doch sein Antrag, die Stadtbevölkerung bei einem Angriff zu evakuieren, wurde abgelehnt. Zwar gab es durchaus auch vonseiten der Armee Bemühungen und Pläne für eine Evakuation. Diese sind jedoch aufgrund der veränderten Kriegslage, Erfahrungswerten aus Nachbarländern und aus logistischen Gründen nicht weiter verfolgt worden.
Allerdings wurde die Strategie bereits während der Kriegsjahre geändert: Nach dem Waffenstillstand zwischen Deutschland, Italien und Frankreich am 26. Juni 1940 drohte der Einmarsch aus dem besetzten Frankreich. Die Limmatstellung verlor ihre Bedeutung. Guisan entschied sich zum Rückzug der Truppen ins Reduit.
(Tagesanzeiger, 07. 06. 2014, Seite 17)
|