Heilungswege in der Psychotherapie
(vor allem bei Depressionen)


Etwas vom Besten, was ich über Heilungswege im Laufe eigener Lebensgeschichten oder im Laufe von Psychotherapien in der Lyrik gefunden habe, ist der folgende Text von Porta Nelson.

Ich bekam ihn geschenkt von einer Klientin, welche mich wegen Depressionen aufsuchte. Sie war darüber erschüttert, wie lange sie (wie alle Depressiven) brauchte, um bei Depressionen immer wieder nach den zugeschütteten eigenen Aggressionen und den zugehörigen auslösenden Beziehungskonflikten zu suchen um dadurch aus der Depression herauszukommen. Theoretisch hatte sie zwar die Genese der Depression gemäss dem schicksalspsychologischen Ansatz sehr wohl verstanden. Immer wieder aber "vergass" sie, wenn die Depression wieder einsetzte, danach in ihrem Alltagserleben zu suchen. Immer wieder verdrängte sie den Konflikt, sah nicht hin, fiel somit "ins Loch" und kam alleine nicht mehr heraus.

Immer wieder war sie überzeugt, dass es diesmal keinen depressionsauslösenden Konflikt gegeben habe. Immer wieder musste ich diesen verleugneten Auslöser durch eine genaue Detailanalyse der verstrichenen Tage "hervorholen und hervorarbeiten".

Aber irgendwann, nach vielen Monaten Therapie, war sie zusehends schneller im selbständigen Finden der auslösenden Momente. Zusehends rascher konnte sie sich selbst aus dem Loch befreien, in das sie gefallen war. Und zusehends mehr war sie auch fähig, Konfliktherden, welche nicht nötig waren, auszuweichen, sie präventiv zu vermeiden oder diese aktiv anzugehen und anzusprechen. Zusehends gelang es ihr auch, Menschen, welche ihr nicht gut taten, und deren Kontakt nicht unumgänglich war, zu meiden: sie nahm eine andere Strasse.




Autobiographie in fünf kurzen Kapiteln


Porta Nelson


1.Kapitel

Ich gehe die Strasse entlang,
im Trottoir ist ein tiefes Loch, aber ich sehe es nicht.
Ich falle hinein. Ich bin verloren. Ich fühle mich hilflos.
Es ist nicht mein Fehler.
Es dauert eine Ewigkeit, bis ich wieder herauskomme.


2. Kapitel


Ich gehe dieselbe Strasse entlang.
Im Trottoir ist ein tiefes Loch. Ich tue so, als würde ich es nicht sehen.
Ich falle wieder hinein.
Ich kann es nicht fassen, dass ich wieder am selben Ort bin,
aber es ist nicht mein Fehler.
Es dauert immer noch sehr lange, bis ich herauskomme.


3. Kapitel


Ich gehe dieselbe Strassen entlang.
Im Trottoir ist ein tiefes Loch. Diesmal sehe ich es,
aber ich falle dennoch hinein.
Es ist eine Gewohnheit, aber dieses Mal habe ich die Augen offen.
Ich weiss wo ich bin.
Es ist mein Fehler.
Ich finde sofort wieder heraus.


4. Kapitel


Ich gehe dieselbe Strasse entlang.
Im Trottoir ist ein tiefes Loch.
Ich laufe daran vorbei.


5. Kapitel

ICH GEHE EINE ANDERE STRASSE.

Wo bist du in dieser Geschichte?

(übersetzung : St. Prescott)