Mit Entsetzen habe ich vernommen, dass die Graphologie aus dem Grundstudium gestrichen werden soll.
Als Dozentin des ehemaligen Biäsch-Institutes, des späteren IAP und der HAP habe ich über 35 Jahre Graphologie und Tiefenpsychologie (Neurosenlehre, Psychopathologie nach L.Szondi und Szondi-Test) gelehrt - bis zu 10 Lektionen/Woche und als Fachbuchautorin Kompendien der Graphologie für die HAP verfasst.
Als engagierte, vormals mit der HAP äusserst identifizierte Ex-Dozentin, erlaube ich mir nun, Ihnen einige meiner Argumente für die Beibehaltung der Graphologie im Grundstudium zu unterbreiten.
1. Die Integration beider Hirnhälften als fortschrittliche Wissenschaftlichkeit der Zukunft
Ich selbst habe mit dem Lizentiat an der Universität ZH abgeschlossen und konnte den Unterschied zwischen den akademischen und den "angewandten" Psychologiestudiums bestens verfolgen. Das damalige Biäsch-Institut war bei den Studierenden sowie bei den praktischen Fachleuten äusserst beliebt wegen der praktisch-sinnlichen und anschaulichen Kompetenz, welche erworben wurde - als echtes "Handwerk" neben der forscherischen Wissenschaftlichkeit.
Würde die Graphologie nun gestrichen, so hiesse dies, dass neben der bedauerlichen Beschränkung der Tiefenpsychologie als Theoriegrundlage nun auch noch ein weiterer "Test" (die Handschrift) und Handwerksmittel gestrichen werden würde, welcher neben dem Kognitiven auch die visuell-künstlerische und kreativen Teile eines Psychologen verlangt und befriedigt. In der Handschriftendeutung ist das Auge als Sinnesorgan, aber auch die Einfühlung in die Motorik des Bewegungsablaufes, d.h. die gesamte Kinäesthetik als Vorstellungskraft von zentraler Bedeutung - neben dem Wissen und den Messmethoden.
Mithin stellt Die Graphologie eine Integration der beiden Hirnhälften dar und repräsentiert die Wissenschaft und Forschung unserer Zukunft, wo bald die Integration der Forschungsansätze gefordert werden wird, die beide Hirnhälften involviert und nicht nur vorwiegend die linke des Rationalen und Messbaren.
Streicht man die Graphologie heraus, streicht man nun erneut einen Forschungsansatz, welcher die rechte Hirnhälfte in Aktion bringt.
Ein Zurückfallen in den Status der Aufklärung (cogito ergo sum), entspricht nicht der menschlichen Evolution. Beide Hirnhälften müssen involviert sein bei der Wahrheitsfindungö
Viele Zukunftsfachleute konstatieren, dass wir im jetzigen Zeitgeist in einer Angstphase stecken, in der Angst vor der Integration von Gefühl und Verstand, von Geistes- und Naturwissenschaft - und dass das Pendel aufgrund dieser Angst momentan nochmals ganz schwer zurückschlägt ins einseitig Naturwissenschaftliche.
Lassen Sie sich nicht von diesem vorübergehenden, bald überholten Zeitgeist motivieren, sondern seien Sie diesem voraus und gehen Sie den Weg der Integration.
2. Die Integration von Graphologie und Neurowissenschaften als Zukunft an der HAP?
Die Graphologie ist zudem noch ein anderes integrales Instrument: sie vereint die Ausdruckspsychologie der Geisteswissenschaft mit der Hirnphysiologie der Naturwissenschaft.
Denn der Charakter/Seele drückt sich in der Handschrift via Gehirn, Hirnphysiologie und Mikromotorik aus.
In der Handschrift sind winzigste hirnphysiologische Auffälligkeiten (wie Tremor, Ataxien, Strichstörungen, Koordinationsstörungen, motorische Störungen), aber auch hirnphysiologisch Gesundes erkennbar.
Das Ganze schreit geradezu nach einer interdisziplinären Zusammenarbeit!!
Wann hat ein Forschungs- und Lehrinstitut endlich den Mut, diese beiden Disziplinen und deren Fachleute zusammenzubringen?
Das wäre echte fortschrittliche "Zukunfts-Musik" für die HAP, jetzt in dieser Zeit, wo die Neurowissenschaften so boomen - und nicht die Elimination eines so potenten, zukunftsträchtigen Instrumentes.
Wenn Sie Angst haben vor Prestige-Verlust durch die Graphologie, machen Sie diese doch auch als potentielle neurowissenschaftliche Methode bekannt, betonen Sie den hirnphysiologischen Aspekt!
Ich beschreibe Ihnen diesen Aspekt mit besonderer Inbrunst, da dieser oft auch von den Graphologen vergessen wird.
Graphologie hat ein beträchtliches neurowissenschaftliches Potential in der Zukunft - und Sie könnten diese in diesem Sinne fördern und damit auch fortschrittlich gegen aussen auftreten und wirken. Dieser hirnphysiologische und neurowissenschaftliche Aspekt ist alleinig und einzig bei der Handschrift zu finden - im Gegensatz zu anderen ausdruckspsychologischen Verfahren wie Wartegg, Baumtest etc., wo keine so langjährige Einübung und hirnphysiologische Bahnung der Bewegungsabläufe vorhanden ist.
3. Das Schreibbrett als wissenschaftliches Instrument
Ich weiss nicht, ob Sie darüber informiert sind, dass die SGG seit einiger Zeit über das sogenannte "Schreibbrett" verfügt, mit dem Bewegungsabläufe, Druck und Vieles mehr statistisch in naturwissenschaftlichen Kurven erfasst werden können. Es gibt auch schon Forschungen damit.
Dies könnte gerade auch für Neurowissenschafter von grossem Interesse sein, denn dabei gibt es nichts mehr Spekulatives, Geisteswissenschaftliches, sondern nur noch harte Fakten und Zahlen.
Dies ist ein Verfahren, welches für naturwissenschaftlich-statistisch-rationale Kriterien bestens geeignet ist, sehr viel Eindruck nach aussen macht und auch sehr forschungstauglich ist.
4. Das Studium lebendig und vielseitig erhalten, nicht einseitig machen.
In der Schicksalspsychologie besteht die These, dass Menschen gesund und glücklich werden, wenn sie möglichst verschiedene und auch die sinnlichen Triebbedürfnisse befriedigen können. Jegliche Einseitigkeit führt zur Krankheit und zum Unglücklichsein.
Die Vielseitigkeit der Befriedigungsmöglichkeiten am Biäsch-Institut/IAP/HAP in früheren Jahren war auch ein Grund, warum die meisten Studierenden sehr zufrieden waren, gerne studierten und jeder etwas Spannenden fand, welches seinen tieferen Begabungsrichtungen und Neigungen entsprach.
Jetzt verliert das HAP aber immer mehr an Vielfalt - was bewirken könnte, dass die Studierende das Studium auch immer langweiliger, kopflastiger empfinden und immer unglücklicher werden (Solche Klagen über Langweiligkeit höre ich oft vom jetzt auch zunehmend noch mehr verkopften Unistudium).
Die Qualität der HAP verliert somit nur. Und bald könnte der Name "Angewandte" Psychologie nicht mehr zu Recht geführt werden. Das HAP wird dann immer mehr zu einer zweiten Uni mit dem Ziel der Ausbildung von Forschern (und nicht von Praktikern) und hat auch mit der Seele/Psyche nicht mehr viel zu tun.
Wer aber bildet dann noch die zukünftigen praktisch arbeitenden Psychologen und angehenden Psychotherapeuten im Grundstudiunm aus?
Machen Sie doch das Studium weiterhin für die Studierenden verschiedenster Begabungen und Bedürfnisse lebendig und beachten Sie das Gleichgewicht, dass Sie beide Hirnhälften "bedienen"- auch zum Glück und der Gesundheit Ihrer Studierenden.
Sollte die Einseitigkeit der Ausrichtung zugunsten der Dominanz der linken Hirnhälfte fortschreiten, so müsste auch ich dem Satz einer ernstzunehmenden Fachperson, welche die ganze Entwicklung seit Einführung der Bologna Reform verfolgt, zustimmen:
"Es wäre jetzt die Zeit, wieder ein neues "Biäsch-Institut" zu gründen".
Ich hoffe sehr, dass Sie sich vor ihrem definitiven Entscheid ganz dringlich auch mit dem hirnphysiologisch-neurowissenschaftlichen Aspekt der Graphologie auseinandersetzen.
Noch viel wertvoller und zukunftsträchtiger wäre, wenn Sie sogar gewillt wären, Graphologie und Neurowissenschaften praktisch und forscherisch an Ihrer Hochschule zusammenzubringen. Das wäre weltweit einmalig und erstmalig!
Aber es bräuchte Mut und Pioniergeist, Ablösung und Unabhängigkeit vom derzeitigen dominanten universitären Geist und vom vorübergehenden Zeitgeist, welcher sicherlich noch nicht der evolutionär- fortschrittliche Geist der Zukunft ist.
In der Hoffnung auf ein echt fortschrittliches, zukunftsorientiertes,
nicht zu sehr nur grad zeitgeist- und universitätsangepasstes HAP
- auf dem Wege der echten Integration der Hirnhälften
und der Integration von Natur- und Geisteswissenschaften -
wünsche ich Ihnen einen mutigen und echt fortschrittlichen Entscheid
und würde mich um ein Echo Ihrerseits auf meinen Brief freuen
Ines Grämiger
Psychologin lic.phil.I
Graphologin SGG
Rebbergstr. 53
8049 Zürich
ines.g@sebil.ch
www.ines-graemiger.ch
Tel. 044 342 25 45
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